Mein Vater war Kapellmeister der Musikkapelle in Burgau, schon mit elf Jahren durfte ich die kleine Trommel spielen. Doch das bedeutete auch eine Menge Übung. Tag für Tag saß ich in der Küche unseres Hauses und ließ die Stöcke über das gespannte Trommelfell tanzen – mit wachsender Begeisterung und unermüdlichem Ehrgeiz. Anfangs schmunzelte meine Mutter über meinen Eifer, doch irgendwann hatte selbst sie genug vom stetigen Takt des Radetzkymarsches in Endlosschleife. „Komm, übe draußen weiter!“, sagte sie mit einem liebevollen Lächeln, während sie mich vors Haus bugsierte.
Ich war ein braver Junge und folgte ohne Widerrede. Draußen, vor unserem Haus, war ich nicht allein – unser Hund Lasso, stets an meiner Seite, sprang fröhlich um mich herum und bellte, als wolle er im Takt meiner Trommel mit musizieren. Je lauter ich spielte, desto ausgelassener wurde er, bis unsere kleine Aufführung zu einem wunderbaren Chaos aus Klang und Bewegung wurde.
Neben unserem einfachen Haus erstreckte sich ein idyllischer Naturteich, dessen Wasser im Sommer glitzerte und im Winter zur perfekten Eisbahn gefror. Dahinter schlängelte sich ein sanft murmelnder Bach zwischen grünen Wiesen und weitläufigen Feldern. Eine malerische Kulisse, die mich jeden Tag auf meinem Weg ins Dorf begleitete.
Heute war ein besonderer Tag. Seit Wochen hatte ich mich darauf gefreut – das alljährliche Strandfest stand bevor! Im August verwandelte sich der große Teich mitten im Ort in eine festliche Bühne. Auf der sich die Menschen aus Burgau und den umliegenden Gemeinden versammelten. Es war ein Ereignis, das alles bot: Kinder konnten sich an einem Kasperletheater erfreuen, ältere Gäste schwelgten in der Volksmusik, und die Jugend wurde von den mitreißenden Klängen des Rock ‚n‘ Roll erfasst. Die Tanzflächen waren gefüllt mit feiernden Menschen, denn eine Disco gab es damals auf dem Land nicht – das Strandfest war unsere einzige Gelegenheit, ausgelassen das Tanzbein zu schwingen. Es gab echte Stars! Namen wie Udo Jürgens, Peter Alexander, Conny Froboess und Gus Backus schallten über das Wasser, ihre Lieder begleiteten die festliche Sommernacht. Noch heute klingt Gus Backus‘ „Der Mann im Mond“ in meinen Ohren: „Der Mann im Mond, der hat es schwer, denn man bestaunt ihn heut nicht mehr …“
Als Vorspann zu diesem Fest spielte auch die Blasmusikkapelle von Burgau. Und ich mitten drinnen unter lauter Erwachsenen. Mit meiner kurzen Lederhose, in die ich wohl zweimal gepasst hätte. Meinem viel zu großen Hut, wo nur die Ohren verhinderten, dass er mir nicht über die Augen rutschte. Wahrscheinlich verzieh man mir so manchen musikalischen Fehler wegen meines Outfits. Zwischen Weihnachten und Neujahr zogen wir von Haus zu Haus, um Wünsche für das neue Jahr darzubringen. Den Junggesellen zum Beispiel wünschten wir, „a so a Braut, wo a sie nit zuwe traut.“ Für diese Darbietungen bekamen wir Trinkgelder und Schnaps, viel Schnaps. Ich bekam Tee, ja, für den Schnaps war ich wohl noch ein wenig zu jung.
Es war eine Zeit voller Musik, gemeinsamer Freude und unvergesslicher Momente – eine Zeit, die ich noch immer tief in meinem Herzen trage.
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